Höffgen, Thomas, Der verteufelte Waldgott: Die Christianisierung der Germanen, 2022.

#10 European shamanism - back to our ancestors

Bildquelle: Cover von Der verteufelte Waldgott – Die Christianisierung der Germanen, Christian von Aster, Amazon.de, abgerufen am 13.07.2025.
https://www.amazon.de/dp/B0BKWR19DY

Der Ursprung des europäischen Schamanismus

Der Ursprung des europäischen Schamanismus liegt tief in den vorchristlichen Naturreligionen Europas, insbesondere im germanischen und nordischen Raum. Schon in der frühen Geschichte Mitteleuropas gab es spirituelle Spezialisten, die als Mittler zwischen Mensch und der beseelten Natur galten. Zentrale Symbole wie der Weltenbaum spiegeln die Vorstellung wider, dass die Welt aus mehreren Ebenen besteht, zwischen denen besonders befähigte Menschen – Schamanen, Seher, Zauberer oder Völva – reisen konnten.

Diese spirituellen Reisen wurden durch Ekstasetechniken wie Trance, rhythmischen Gesang, rituelle Tänze und den Einsatz bestimmter Pflanzen ermöglicht. Praktiken wie das „Sitzen im Freien“ zur Kontaktaufnahme mit Ahnen oder Naturgeistern, die bewusste Herbeirufung von Krafttieren, Tierverwandlungen, Heilmagie und Jenseitsreisen sind feste Bestandteile dieser alten spirituellen Welt. Die Menschen gingen davon aus, dass alles in der Natur – Tiere, Pflanzen, Steine, Berge, Flüsse – beseelt und wirkmächtig ist und dass man mit diesen Kräften kommunizieren kann.

Eine zentrale Rolle für das Verständnis des europäischen Schamanismus spielt die Figur Wotan (Odin) aus der germanischen Mythologie. Wotan vereint zahlreiche schamanische Merkmale in sich: Er ist Gott der Ekstase, der Magie, der Runen, der Weissagung und der Seelenreisen. Besonders deutlich wird dies in dem Mythos, in dem Wotan sich selbst am Weltenbaum Yggdrasil opfert, um das Geheimnis der Runen zu erlangen. Dieses Motiv entspricht dem Muster schamanischer Initiation: der symbolische Tod, das Leiden, das Durchschreiten verschiedener Weltebenen und das Erlangen besonderer spiritueller Fähigkeiten. Wotan gilt als Wanderer zwischen den Welten, als Seelenführer und als Anführer der Wilden Jagd – Aspekte, die auf die Rolle des Schamanen als Mittler zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen Mensch und Geisterwelt, verweisen. Auch seine Verbindung zu Tieren wie den Raben oder dem achtbeinigen Pferd Sleipnir, sowie sein Wissen um Zauberpflanzen und Runen, unterstreichen seinen schamanischen Charakter.

Mit der Ausbreitung des Christentums wurden viele dieser Praktiken unterdrückt oder dämonisiert, doch zahlreiche Elemente überlebten in Volksbräuchen, Märchen, Zaubersprüchen und Ritualen. Bis heute finden sich Spuren dieser alten schamanischen Weltsicht in der europäischen Kultur, etwa in der Arbeit mit Runen, in Jahreskreisfesten oder in der tiefen Naturverbundenheit vieler moderner spiritueller Bewegungen.

Der europäische Schamanismus ist somit ein eigenständiges, tief verwurzeltes Phänomen, das sich durch eine enge Verbindung zur Natur, die Verehrung von Ahnen und Geistern sowie durch die Fähigkeit zu Ekstase und spirituellen Reisen auszeichnet. Die mythologische Figur Wotan verdeutlicht, wie schamanische Vorstellungen und Praktiken in den religiösen Symbolen und Ritualen Europas verankert sind. Seine Ursprünge reichen bis in die frühesten Zeiten der europäischen Geschichte zurück und prägen das spirituelle Erbe des Kontinents bis heute.

Bildquelle: Screenshot aus „Rezension: Yggdrasill – RPG: Auf Kaperfahrt an der Weltenesche“, Teilzeithelden.de, abgerufen am 13.07.2025.
https://www.teilzeithelden.de/2015/08/26/rezension-yggdrasill-rpg-auf-kaperfahrt-an-der-weltenesche/

Schamanische Initiation

Die Initiation eines Schamanen ist ein tiefgreifender Transformationsprozess, der meist mit einer existenziellen Krise, Krankheit, Nahtoderfahrung oder einem besonderen spirituellen Ruf beginnt. Häufig wird dieser Prozess als symbolischer Tod und Wiedergeburt erlebt: Der künftige Schamane durchläuft eine Phase der Auflösung alter Identität und tritt in einen Zustand der Unsicherheit, des Leidens oder der Isolation ein. In dieser Zeit kann es zu intensiven Träumen, Visionen oder Begegnungen mit Geistwesen kommen, die als Lehrer, Führer oder Herausforderer auftreten. Die Initiation ist häufig mit Prüfungen verbunden, in denen Mut, Hingabe und die Bereitschaft, sich dem Unbekannten zu stellen, gefordert sind. Erst nach dem Durchschreiten dieser Schwelle und dem Erlernen schamanischer Techniken wird der Initiierte von der Gemeinschaft als Schamane anerkannt. Die Initiation markiert den Übergang vom gewöhnlichen Menschen zum Vermittler zwischen den Welten. Sie ist der Moment, in dem die spirituelle Berufung zur gelebten Realität wird und der Mensch die Verantwortung für Heilung, Schutz und Führung der Gemeinschaft übernimmt. Die Initiation kann einmalig oder in mehreren Stufen erfolgen und wird oft durch erfahrene Schamanen oder in rituellen Kontexten begleitet.

Krafttiere

Krafttiere sind spirituelle Wesen, die in der schamanischen Arbeit eine zentrale Rolle spielen. Sie erscheinen dem Schamanen meist in Trance, Träumen oder außergewöhnlichen Lebenssituationen als Tiergestalten und gelten als persönliche Begleiter, Beschützer und Ratgeber. Jedes Krafttier verkörpert bestimmte Qualitäten, Kräfte und Botschaften, die dem Menschen auf seinem Lebensweg helfen. Die Verbindung zu einem Krafttier ist individuell und kann sich im Laufe des Lebens verändern – je nach Lebensphase, Herausforderungen oder spirituellen Aufgaben. Krafttiere unterstützen bei der Heilung, geben Hinweise auf verborgene Potenziale oder warnen vor Gefahren. Die Beziehung zu ihnen wird durch Rituale, Meditationen und bewusste Kommunikation gepflegt. Oft wird das Krafttier während einer schamanischen Reise in die Unterwelt gefunden, wo es sich dem Suchenden zeigt und ihn fortan begleitet. Die Begegnung mit dem Krafttier ist nicht nur ein symbolisches Erlebnis, sondern wird als reale Begegnung in einer anderen Wirklichkeit erfahren. Im Alltag können auch unerwartete Tierbegegnungen als Zeichen oder Botschaft des Krafttiers gedeutet werden. Die Arbeit mit Krafttieren stärkt das Vertrauen in die eigene Intuition, fördert Selbstheilungskräfte und verbindet den Menschen mit den archetypischen Kräften der Natur.

Schamanische Praktiken

Schamanische Praktiken sind vielfältig und umfassen eine breite Palette an Techniken und Ritualen, die auf Heilung, Schutz, Erkenntnis und spirituelle Entwicklung ausgerichtet sind. Zu den wichtigsten Praktiken zählen die Seelenrückholung – das Wiedergewinnen verlorener Seelenanteile nach Trauma oder Krankheit –, die Extraktionsheilung, bei der störende oder krankmachende Energien entfernt werden, und die Divination, also das Wahrsagen oder Deuten von Zeichen, um Antworten auf persönliche oder gemeinschaftliche Fragen zu erhalten. Weitere zentrale Praktiken sind die Arbeit mit Pflanzen und Naturgeistern, das Durchführen von Schwitzhüttenritualen, das Feiern von Jahreskreisfesten und das Gestalten von Heilkreisen. Schamanische Praktiken sind nicht starr, sondern lebendig und passen sich den Bedürfnissen der Gemeinschaft und den Fähigkeiten des Einzelnen an. Sie beruhen auf der Überzeugung, dass alles Leben miteinander verbunden ist und dass Heilung immer auch die Wiederherstellung von Harmonie zwischen Mensch, Natur und Kosmos bedeutet. Rituale werden oft gemeinsam mit anderen durchgeführt, um die Kraft der Gemeinschaft zu stärken und die Verbindung zu den spirituellen Kräften zu erneuern. Die schamanische Praxis ist ein Weg, der auf Erfahrung, Intuition und dem tiefen Respekt vor dem Mysterium des Lebens basiert.

Schamanische Reisen

Die schamanische Reise ist eine der wichtigsten Techniken, um mit der spirituellen Welt in Kontakt zu treten. Sie beginnt meist mit rhythmischen Klängen – etwa Trommeln oder Rasseln –, die das Bewusstsein in einen tranceähnlichen Zustand versetzen. In diesem veränderten Bewusstseinszustand verlässt der Schamane symbolisch die Alltagswelt und betritt die „nichtalltägliche Wirklichkeit“. Diese Wirklichkeit ist in verschiedene Ebenen gegliedert: die Unterwelt, die Oberwelt und die Mittelwelt. In der Unterwelt begegnet man Krafttieren und spirituellen Helfern, in der Oberwelt weisen Lehrer, Ahnen oder höhere Geistwesen den Weg, und die Mittelwelt ist die spirituelle Dimension der bekannten Welt mit ihren sichtbaren und unsichtbaren Wesen. Die Reise dient unterschiedlichen Zwecken: Antworten auf Fragen finden, Heilung erlangen, verlorene Seelenanteile zurückholen, Wissen über die Zukunft gewinnen oder Kontakt zu Ahnen und Naturgeistern aufnehmen. Die schamanische Reise ist keine bloße Fantasie, sondern wird als reales, wirkungsvolles Erlebnis erfahren, das tiefe Veränderungen im Bewusstsein und im Leben bewirken kann. Die Technik ist erlernbar und wird durch Übung, Vertrauen und Hingabe an den Prozess immer weiter verfeinert.

Creatorin: Natalija Blöhm

Der Ritt durch die

Hexenwelt

geht natürlich noch weiter…

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